„Meine“ Ukrainer

Jetzt bin ich seit etwa eineinhalb Monaten in Charkiw, im ukrainischen Osten. Der Sommer ist wunderbar. Erst war es mit über dreißig Grad sehr heiß. Jetzt liegen die Temperaturen um zwanzig und fünfundzwanzig Grad. Es geht nahezu jeden Tag raus auf die Straße. Die Landschaft rundum ist wunderbar, eine Abwechslung von Feldern, auf denen Mais und Sonnenblumen oder Getreide wachsen. Dazwischen immer wieder ein größerer oder kleinerer See, Angler, Fußgänger, hin und wieder ein Pferdewagen mit Heu. Zeit für mich habe ich kaum. Aber dieses Leben gefällt mir. Die Ukraine ist mir vertraut. Trotzdem erlebe ich sie immer wieder neu. Die Menschen kommen mir noch offener vor in der Krise. Kürzlich haben wir an der Straße angehalten. Da überholt uns ein Auto und hält ebenfalls an. Der Fahrer steigt aus und fragt, ob wir Hilfe brauchen. „Nein, es ist alles in Ordnung.“ Er drückt mir einen Beutel frischer Kirschen in die Hand für unser Team, wendet und fährt weiter. Ich sage: „Ja, so sind die Ukrainer.“ Tags zuvor war ich eigeladen bei wildfremden Menschen, die ich bei einem Empfang kennengelernt hatte. Es wurde über Politik geredet und über Hilfen für die aus den Krisengebieten Geflüchteten. Der Tisch hat sich gebogen. Das Essen gehört dazu. Es war, als sei ich schon immer dabei gewesen. Am nächsten Tag komme ich während einer Demonstration in Charkiw mit einer Frau am Straßenrand ins Gespräch. Sie fragt interessiert, wer wir sind. Ich erkläre ihr was wir machen als Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Sie sagt, dass sie da gleich um die Ecke wohne, bietet spontan ihre Hilfe an und gibt mir ungefragt ihre Telefonnummer. Man wisse ja nie. Ich bin zum dritten Mal in zwei Tagen überrascht über „meine“ UkrainerInnen, die ich so schätze und liebe.

Ein Gedanke zu „„Meine“ Ukrainer

  1. Ich habe es vermutet bzw. gehofft: Es gibt in der Ukraine neben den ganz großen internationalen Themen Krim, Gasversorgung und Separatisten auch das normale Leben, wie es hier beschrieben wird. Natürlich sind die vorgenannten Probleme damit nicht aus der Welt, aber es ist wiederum ein Grund für weitere Hoffnung, dass sie gelöst werden können.

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